VON PROF. DR. PETER GENTSCH
Die Zeiten, in denen man nicht wusste, welche 50 Prozent der Marketingausgaben herausgeworfenes Geld sind (Henry Ford), haben dank Big Data und AI weitgehend ausgedient. In den folgenden Kapiteln erklären und illustrieren wir Ihnen, wie wir die Artificial Intelligence fürs Marketing einsetzen.
Mit dem Sammeln von Big Data hat die Automation von Marketingprozessen seit ca. 2001 an Bedeutung gewonnen. Die Datensätze bestehen z. B. aus Kundendatenbanken oder Clickstream-Daten, welche eine Aufzeichnung der Navigation des Kunden zwischen verschiedenen Webseiten sind. Die Datenmengen nehmen jährlich explosionsartig zu. So sind Anfang 2016 90 Prozent aller Daten in den vorherigen zwölf Monaten entstanden. 2018 haben wir weltweit 33 Zettabyte digitale Daten generiert, 2025 sollen es 175 Zettabyte sein. Ein Anstieg von etwa 27 Prozent jährlich.
Tradition vs. Algorithmen im Marketing
Da viele Unternehmen nicht wissen, wie sie diese Datenmengen mit den bisherigen Datenbanksystemen und Softwarelösungen nutzen können, wird das volle Potenzial von Big Data bei Weitem noch nicht ausgeschöpft.
Die traditionellen Methoden der Marketingautomatisierung:
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geben keine tiefen Einsichten in die Daten,
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schlagen keine Maßnahmen vor,
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sehen die Auswirkungen der Maßnahmen nicht vorher und
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beeinflussen die Kunden nicht in Echtzeit.
Wenn wir für das Marketing jedoch Algorithmen einsetzen, können wir die Datensätze effizienter bearbeiten. Algorithmen können große Datensätze analysieren, untergliedern und Muster sowie Trends erkennen. Sie können Änderungen beobachten und Empfehlungen für Maßnahmen in Echtzeit geben, das heißt während der Interaktion mit dem Kunden. Außerdem können sich Marketer durch den Einsatz von Artificial Intelligence anspruchsvolleren Aufgaben widmen, was in einen effizienteren und kosteneffektiveren Marketingprozess resultieren kann.
Langfristig kann ein Unternehmen durch den Einsatz von Algorithmen im Marketing einen Konkurrenzvorteil sowie durch die vergrößerte Kundennähe eine höhere Kundenloyalität erreichen.
AI Marketing-Matrix
Wie häufig setzen Unternehmen schon Algorithmen in ihren Marketingtools ein und wann dient die AI als Unterstützung? Die AI Marketing-Matrix zeigt, welche Tools Unternehmen in der Praxis mit welcher Intensivität einsetzen und welche bisher vernachlässigt wurden.
Heutzutage existiert bereits eine Vielzahl auf AI basierender Anwendungspotenziale für das Marketing. Diese Potenziale lassen sich prinzipiell in die Dimensionen „Automation“ und „Augment“ sowie anhand des jeweils einhergehenden Business Impacts unterteilen.
WAS SIND AUGMENT-ANWENDUNGEN?
Bei den Augment-Anwendungen geht es insbesondere um die intelligente Unterstützung und Anreicherung komplexer und kreativer Marketing-Aufgaben, die derzeit in der Regel noch von menschlichen Akteuren durchgeführt werden. Zum Beispiel kann Artificial Intelligence das Marketing-Team bei der Mediaplanung oder der Generierung von Customer Insights unterstützen.
Vor allem in jenen Unternehmen, die einen hohen AI-Reifegrad im AI Maturity Model aufweisen, ist das Augment-Potenzial schon stärker ausgeprägt. Hier werden auch Planungs- und Entscheidungsprozesse von Artificial Intelligence unterstützt oder bereits ausgeführt.
WAS SIND AUTOMATISIERUNGS-ANWENDUNGEN?
In Hinblick auf die Automatisierungs-Anwendungen fällt wenig überraschend auf, dass bei diesen sowohl der Reifegrad als auch die Verbreitung im Vergleich deutlich höher ausgeprägt sind. So gibt es viele Automatisierungs-Anwendungen, die heute schon einen hohen Reifegrad und Einsatz in der Praxis haben. Hierzu gehören beispielsweise Marketing Automation oder Real-Time-Bidding.
Es gibt jedoch auch Anwendungen, die Marketer trotz ihres hohen Reifegrades und hohen Business Impacts in der Praxis heutzutage noch vergleichsweise gering einsetzen. Ein Anwendungsbereich, auf den dieses Phänomen zutrifft, ist das Prinzip der Lookalikes, welches Sie für Leas Prediction und Audience Profiling nutzen können.
Neue Kunden strategisch identifizieren durch Ähnlichkeiten
Im B-to-C-Bereich sowie im B-to-B-Bereich lässt sich dies gut mit Facebook Audiences (https://www.facebook.com/business/insights/tools/audience-insights) umsetzen. Dahinter verbirgt sich die Möglichkeit, anhand der besten und attraktivsten Bestandskunden eines Unternehmens neue potenzielle Kunden strategisch zu identifizieren, die eine Ähnlichkeit zu diesen Bestandskunden aufweisen. Die Funktionsweise dahinter ist einfach zu verstehen: Kunden – im B2B-Bereich sind das Unternehmen – lassen sich anhand diverser Aspekte charakterisieren. Hierzu zählen neben klassischen Firmografics wie Standort, Wirtschaftszweig und Umsatz der Unternehmen auch Informationen über deren Entwicklung, Digitalität sowie deren thematische Relevanz. Diese enorme Anzahl an vorhandenen Informationen können Sie in Zeiten von Big Data vor allem auf den Webpräsenzen der Unternehmen gewinnen. Denn tagtäglich veröffentlichen Unternehmen auf ihrer Website und sozialen Netzwerken aktuellen Content zu neuen Produkten, zu Veränderungen innerhalb der Firma sowie zu vielen weiteren Themen. Anhand dieser Aspekte können Sie dann eine umfassende Charakterisierung aller Unternehmen vornehmen, anhand derer eine generische Kunden-DNA erzeugt wird. In einem anschließenden Schritt können Sie auf Basis dieser erzeugten generischen Kunden-DNA weitere Unternehmen ermitteln, die über die gleiche DNA verfügen – die sogenannten Lookalikes. Das Ergebnis: ein Pool potenzieller neuer Kunden, deren Ansprache Erfolg versprechende Chancen bietet.
Vorteile von Algorithmen fürs Marketing
So können Sie durch den Einsatz AI-basierter, automatisierter Anwendungen die Conversion-Rate sowohl im Marketing als auch im Vertrieb erheblich steigern. Praxisbeispiele zeigen eine Steigerung der Conversion Rate um bis zu 70 %. Es zeichnet sich also deutlich ab, dass das Prinzip der Lead Prediction und der Ermittlung sogenannter Lookalikes ein Anwendungsbereich mit einem erheblichen Potenzial und einem großen Business Impact für Marketing und Sales ist.
Vorteile des algorithmischen Marketings
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Effiziente Analyse der Datensätze
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Gruppierung der Daten
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Erkennen von Mustern und Trends
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Beobachten von und Reaktion auf Änderungen in Echtzeit
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Effizienterer und kosteneffektiverer Marketingprozess (Verlinken)
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Mehr Zeit für Kreativität
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Langfristiger Konkurrenzvorteil und höhere Kundenloyalität
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Customer Journey Intelligence (Verlinken)
Woher bekommen Unternehmen ihre Daten?
Für Unternehmen bestehen viele Möglichkeiten Daten von ihren Kunden im direkten Kontakt, dem offline und online Leben oder vom Wirken der Mitbewerber zu erhalten.
BEDEUTUNG DES DATENSCHUTZES IM MARKETING
Grundsätzlich ist beim Thema Datenschutz zwischen personenbezogenen Daten und Daten zu Unternehmen zu unterscheiden. Sobald Rückschlüsse auf eine konkrete einzelne Person möglich werden und auch auf Einzeldatensatzebenen gearbeitet wird, ist kurz vor der Verarbeitung innezuhalten und zu überlegen:
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Was wird verarbeitet?
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Liegt bereits eine Geschäftsbeziehung vor?
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Befinden wir uns vor oder nach einer Geschäftsbeziehung?
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Welche Einwilligungen oder juristischen Erlaubnis-Tatbestände liegen vor?
Kundendaten dürfen nicht ohne Einwilligung erhoben und auch nicht weiterverkauft werden. Wer hier zu leichtsinnig agiert, macht sich schnell strafbar. Generell gilt jedoch: Mit expliziter Einwilligung des Kunden ist so gut wie alles möglich. Daher kann beispielsweise Facebook auch so weitreichend mit den Daten agieren.
Denn es liegt eine Einwilligung der Nutzer vor, auch wenn nur wenige die AGB vollständig gelesen und verstanden haben dürften. Ebenso ist eine relativ weitreichende Datenverarbeitung im Rahmen einer laufenden Kundenbeziehung unter dem Stichwort „zu eigenen Zwecken“ möglich und erlaubt. Hierunter können beispielsweise Marktforschung, Akquiseaktivitäten und Werbung fallen.
BEDEUTUNG DER DATENHOHEIT IM MARKETING
Im Zusammenhang mit Digitalisierung fällt häufig das Stichwort Datenhoheit: In der Tat ist sie für Unternehmer existenziell, denn niemand kann und möchte im Internet mehr Daten preisgeben als unbedingt nötig ist. Datenhoheit heißt nichts anderes, als genau zu wissen, was mit den eigenen Daten passiert, und nur so viele Daten zu teilen, wie eben nötig sind. Dazu gehört auch, die Nutzung der eigenen Daten und eingesetzte Online-Services, Portale und Datenbanken kritisch zu prüfen. Eingesetzte Dienstleister sind besonders darauf zu prüfen, wie sie mit den ihnen anvertrauten Unternehmensdaten umgehen. Datenhoheit bedeutet für Unternehmer also, selbst zu entscheiden, wer wann und wo welche Daten finden, verwenden und weitergeben darf.
Einsatz und Gefahren für Algorithmen im Marketing
In einigen Branchen ist der Einsatz von Artificial Intelligence schon gang und gäbe, wie z. B. in der Produktion zur Steuerung von Prozessen und im finanziellen Sektor für den Aktienhandel. In jüngster Vergangenheit hat sich zudem gezeigt, dass algorithmisches Marketing ein gutes Targeting versprechen sowie die Umsätze von Unternehmen steigern kann.
Im Einsatz der Artificial Intelligence lauern jedoch gewisse Gefahren. Es ist für Sie daher essenziell, die angewendeten Algorithmen und ihre Grenzen vollständig zu verstehen und diese Weise einzusetzen. Zudem müssen Algorithmen beaufsichtigt und kontrolliert werden, sodass sie im Einklang mit den Grundsätzen des Unternehmens und dem Gesicht der Marke sind.
In einem weiteren Beitrag habe ich mich ausführlich mit dem Thema Einsatzgebiete der KI im Marketing und dessen Gefahren beschäftigt.
Das Thema ist sehr komplex. In diesem Beitrag habe ich versucht, Ihnen einen Überblick über das algorithmusbasierende Marketing zu geben. Gern teile ich mein Wissen und Erfahrung als Speaker oder begleite Sie als Berater bei der Einführung der Artificial Intelligence in Ihr Marketing.